Walker Evans - Ein Lebenswerk"Walker Evans gehört zu den großen Persönlichkeiten der Fotografiegeschichte des 20. Jahrhunderts. Sein Schaffen ist maßgeblich für eine fotografische Ausrichtung, die als "Dokumentarischer Stil" bezeichnet wird." So lauten die einleitenden Sätze der Retrospektive, die mit über 200 Werken aus fünf Jahrzehnten einen umfassenden Überblick über das Werk von Evans gibt. Die von James Crump kuratierte Ausstellung betrachtet die gesamte Schaffensperiode von Walker Evans zwischen 1928 und 1974. Neben den meist kleinformatigen Schwarz-Weiß-Abzügen, die passend zum Werk schlicht gerahmt und gehängt sind, sind in Glasvitrinen die Bücher von Evans zu sehen sowie etliche Artikel, die der Fotograf in den 40er und 50er Jahren für das Magazin "Fortune" produziert hat.
Die Ausstellung versteht sich auch als Reaktion auf die oftmals einschränkende Betrachtung Evans' als Fotograf der großen Depression in den USA und will mit vielen weniger bekannten Fotos neue Wege der Betrachtung des Altmeisters zeigen. Sie gliedert sich in mehrere Abschnitte, die im wesentlichen chronologisch geordnet sind und durch erläuternde Texte eingeleitet werden. Beispiele sind "Botanische Studien", "Frühe Aufnahmen aus New York" oder "Viktorianische Architektur". Natürlich fehlen die Bilder, die Evans für die Farm Security Administration gemacht hat, ebenso wenig wie das umfangreiche Werk, das in seiner zwanzigjährigen Arbeit für "Fortune" entstanden ist. Überraschend fand ich die Tatsache, dass Walker Evans offenbar häufig mit versteckter Kamera unterwegs war. Bei den "Subway Portraits" hat er Personen in der New Yorker U-Bahn mit einer unter dem Mantel versteckten Kamera aufgenommen, deren Drahtauslöser er im Ärmel verborgen hatte. Auch schon zu FSA-Zeiten hat er - beispielsweise unter Benutzung eines Winkelsuchers - heimlich Portraits von Personen aufgenommen, ohne dass diese es bemerkten. Er wollte damit das "wahrhaftige" Leben einfangen und "gegen jegliche Pose in der Portrait-Fotografie" aufbegehren. Ohne das Werk von Evans schmälern zu wollen, muss ich eingestehen, dass ich mit den gehängten Fotografien nicht viel anfangen kann. Der "dokumentarische Stil" ist mir zu unspektakulär, zu langweilig. Nichts gegen Vermeidung von Effektheischerei. Aber mir fehlen die kompositorischen Basics: klare Bezugspunkte für das Auge, Hell-Dunkel-Kontraste, Tiefe und Perspektive, Balance der visuellen Elemente. Es gab und gibt viele Reportage- und Dokumentarfotografen, deren Bilder mir besser gefallen, auch Zeitgenossen wie Margarete Bourke-White oder Eugene Smith. Na gut, ich persönlich kann auch mit der Ästhetik eines Lewis Baltz nicht viel anfangen, obgleich mich brennend interessieren würde, was die Leute an ihm finden. Vielleicht muss man solche Fotos eine Weile um sich herum haben, bevor man sie zu schätzen weiss. Die Gefahr, das sie einem auf die Nerven gehen, besteht jedenfalls nicht. Ganz anders stellt sich das Werk für mich dar, wenn man es zusammen mit dem zugehörigen Text sieht. Bei den ausgestellten Magazin-Artikeln, die von der Kölner Stadt- und Universitätsbibliothek im Original zur Verfügung gestellt wurden, finde ich die Kombination aus Text und Bildern durchaus gelungen. Plötzlich macht für mich auch die Bildkomposition Sinn, und im Zusammenspiel mit dem Text entsteht ein stimmiges Ganzes.
Bezeichnenderweise wird als Aufmacher der Ausstellung das Foto "Pabst Blue Ribbon Sign, Chicago, Illinois, 1946" verwendet. Meiner Meinung nach ist es unter allen ausgestellten Fotos eines der am weitesten von Evans' zurückhaltendem dokumentarischem Stil entfernte Bild. Klappern gehört zum Handwerk. Wie auch immer, die Ausstellung ist gut gemacht und informativ, ein Besuch lohnt sich allemal. Für 7 EURO Eintritt kann man sie noch bis zum 9. November im Martin-Gropius-Bau an der Niederkirchnerstraße sehen. Geöffnet ist sie täglich außer Dienstags von 10 bis 19 Uhr.
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