Lichtgrenze

November 09, 2014

Zum 25. Jahrestags des Mauerfalls haben die Berliner den Verlauf der ehemaligen innerstädtischen Grenze mit tausenden leuchtenden Ballons nachgezeichnet. Die auf drei Meter langen Stäben befestigten weißen Kugeln werden mit LEDs beleuchtet und sollen heute Abend um 19:00 in den Nachthimmel aufsteigen, um den Fall der Mauer zu symbolisieren. Gleichzeitig wird vor dem Brandenburger Tor der vierte Satz von Beethovens Neunter ertönen und ein großes Bühnenprogramm für Stimmung sorgen.

Wir haben uns die Lichtgrenze gestern schon mal angesehen und ein paar Eindrücke festgehalten. Die Installation beginnt am ehemaligen Grenzübergang Bornholmer Straße, an dem am Abend des 9. November 1989 unter dem Druck tausender DDR-Bürger die Mauer geöffnet wurde, und zieht sich entlang des ehemaligen Mauerverlaufs einmal komplett durch die Innenstadt bis zur Oberbaumbrücke und der East-Side Gallery.

An vielen Stellen werden Filme gezeigt, die die Ereignisse vor dem Mauerfall nachzeichnen, und alle paar hundert Meter stehen Schaukästen, die einzelne Mauergeschehnisse hervorheben:

An den bekannten Gedenkstellen ist es sehr voll, wie beispielsweise an der Bernauer Straße:

Aber an vielen anderen Orten in Mitte und Umgebung gibt es genügend Platz, um die Installation ausgiebig zu bewundern und den genauen Verlauf der ehemaligen Mauer nachzuempfinden.

Beispielsweise in der Liesenstraße, dem oberen Ende der merkwürdigen Einbuchtung, durch die die DDR in den Besitz des Gebiets zwischen Brandenburger Tor und Alexanderplatz gekommen ist und der bei gerader Grenzführung auf Westgebiet gewesen wäre:

Auch direkt am Bundestag und Reichstag vorbei führte die Mauer, überall stehen die leuchtenden Ballons:

Ebenso entlang der Spree, hinter dem jetzigen Wirtschaftsministerium, mit dem Grenzübergang Invalidenstraße und der Charité in unserem Rücken (rechts der ehemalige Osten, links der Westen):

Am Brandenburger Tor wurde eine riesige Bühne aufgebaut, auf der das Showprogramm stattfindet. Hier werden heute Abend zigtausend Zuschauer stehen. Die Generalprobe der Lightshow war beeindruckend:

So, das war gestern, nun folgen Bilder vom heutigen Tag, dem 9. November.

Wir beginnen wieder an der Gedenkstätte Berliner Mauer in der Bernauer Straße. Die Kapelle der Versöhnung war eine der Stationen, an denen die eindrucksvolle Filmcollage "Mauerstücke" von Marc Bauder gezeigt wurde:

Die Gedenkstätte an der Bernauer Straße ist eine der wichtigsten in Berlin. Hier kann man viel über die Mauer erfahren und es sind größere Reste der Mauer zu sehen. Dies ist die Straße, an der die auf der Grenze stehenden Häuser zugemauert und später abgerissen wurden, an der die Versöhnungskirche gesprengt wurde, weil sie den Grenzbefestigungen im Weg stand, und an der das weltberühmte Foto des über den Stacheldraht springenden Grenzsoldaten Conrad Schumann entstand.

Die Lichterkette zieht sich die ganze Straße entlang:

Von der Bernauer Straße bog die Mauer seinerzeit im rechten Winkel nach Norden ab, um nach Verlassen von Berlin-Mitte wieder "ordnungsgemäß" in Nord-Süd-Richtung zu verlaufen. Heute befindet sich hier der Mauerpark, direkt neben dem Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark und der Max-Schmeling-Halle, auch er ist gespickt mit Ballons:

Geht man weiter nach Norden, gelangt man auf ein größeres Brückenensemble, unter dem ein Dutzend Eisenbahnlinien entlang laufen. Die Lichter verlaufen zunächst mitten über die südliche Brücke...

...und enden schließlich auf der Bösebrücke, auf der sich der Grenzübergang Bornholmer Straße befand. Genau an dieser Stelle wurde die Mauer am Abend des 9. November 1989 durchlässig:

Wenn man genau hin schaut, sieht man, dass die Lichter genau auf der Mitte der Brücke stehen, dort wo einst die Grenze verlief.

Um 18:00 gehen wir Richtung Reichstag, um zu schauen, wie die Ballons in die Luft steigen. Die Stadt ist zum Bersten voll und es geht nur langsam voran. Wir landen schließlich auf der Kronprinzenbrücke am Kapelle-Ufer, wo wir gerade noch einen Platz direkt am Geländer ergattern. Der Blick geht entlang der Spree Richtung Hauptbahnhof, den Verlauf der Lichterkette kann man von hier sehr schön erkennen:

Auf der linken Seite befindet sich das Bundeskanzleramt, hinter uns liegen die Bundestagsgebäude, der Reichstag und das Brandenburger Tor. Bis 19:00 Uhr finden sich immer mehr Menschen auf der Brücke ein, irgendwann wird sie wegen Überlastungsgefahr von der Polizei gesperrt. Glücklicherweise dürfen die, die bereits Position bezogen haben, an Ort und Stelle bleiben. 

Es dauert ein wenig länger als geplant, bis die Ballons wirklich fliegen, denn die Technik hat ihre Tücken. Viele der Ballons bleiben hängen, weil die angehängte Karte sich im Beleuchtungssockel verfängt (im Vordergrund zu sehen):

Tatsächlich bleibt dank dieses kleinen Problems ungefähr jeder zweite bis dritte Ballon hängen und die meisten Paten warten, bis der verhinderte Vorgänger befreit ist. Das wird von den Zuschauern zwar jeweils mit großem Jubel gefeiert, aber so dauert es oft mehrere Sekunden, bis der jeweils nächste Ballon fliegt. Erst viertel vor acht steigen die Ballons vor unserer Nase endlich in die Luft, wir sind mittlerweile zu Eis gefroren:

Aber dieses kleine Problem tut der Stimmung keinen Abbruch. Auch der richtige Mauerfall brauchte Zeit und erfolgte alles andere als reibungslos, insofern haben diese kleinen Schwierigkeiten durchaus Symbolkraft. Irgendwann ist es geschafft und alle Ballons sind in der Luft. Das Ufer ist wieder dunkel, die symbolische Mauer ist gefallen:

Zur gleichen Zeit vor 25 Jahren sollten es nun nur noch ein paar Stunden sein, bis nach dem Öffnungsbefehl des Grenzsoldaten Oberstleutnant Jäger, der durch die konfuse Befehlslage nach Günter Schabowskis Fernsehauftritt und die Ansammlung hunderter Ausreisewilliger verunsichert war, die ersten paar hundert DDR-Bürger die Grenze passierten und das Verhältnis zwischen Ost und West für immer veränderten.

Noch einmal geht ein Raunen durch die Menge, als ein paar Minuten später am Brandenburger Tor das Feuerwerk losgeht:

Ein schöner Abschluss dieses friedlichen Events, das trotz zweier kleiner Schönheitsfehler (der andere war, dass die Ballons nach dem Abflug nicht mehr leuchteten) seinen Zweck erfüllte und die ehemalige innerdeutsche Grenze und ihren Niedergang auf eindrucksvolle Art erfühl- und erlebbar machte. Durchgefroren bis auf die Knochen machen wir uns auf den Heimweg und sitzen nach fünfzehn Minuten in unserem warmen Wohnzimmer. Gut, wenn man in der Nähe wohnt.

PS. Den einen oder anderen wird sicher interessieren, dass ich die Bilder mit der nagelneuen Panasonic LX100 aufgenommen habe. Insbesondere die Nachtbilder habe ich fast alle aus der Hand geschossen, mit Offenblende und ISO 3200. Eine beeindruckende Leistung für diese kleine "Knipse".

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